Über Permakultur auf der Bonnekamphöhe in Essen.
Wie beschreibe ich einen Ort, ohne ihn (oder sie) zu zerstören?
Wie beschreibe ich einen Ort ohne Gesicht?
Mit einem Text von Diana Miebach, den ihr hier im Magazin ISSO. lesen könnt…
First do no harm: Dieser Leitsatz des hippokratischen Eids bedeutet mir viel.
Ein Resultat seiner konsequenten Umsetzung ist, dass ich als Ärztin derzeit meine Schwierigkeiten habe, diesen Beruf so auszuüben, wie ich ihn verstehe.Was ich daraus gemacht habe, ist, dass ich mein relatives Corona-Berufsverbot als Gelegenheit auffasse, mich dem zu widmen, was ich liebe und das mein Leben reich sein lässt. Eine belebende Umgebung, darin Begegnungen von Mensch, Tier, Pflanze und allem, was in diesem Kontinuum zu finden ist. Kalendarisches Alter und Geschlecht egal.
Platz für Mensch und Natur
„Was sind Sie für eine Ärztin?“ – oft die Frage nach dem Fachbereich – „ich bin Ärztin für Menschen.“ – Psychosomatik trifft am ehesten meine Weltanschauung.
Mit der Sehnsucht nach belebter Umgebung und Entschlossenheit erklomm ich im Juni die Bonnekamphöhe.
Permakultur („dauerhafte Kultivierung“) ist ein nachhaltiges Konzept für Landwirtschaft und Gartenbau, bei dem die natürlichen Kreisläufe der Natur genau beobachtet und unterstützt werden.
„An Grenzen könnenMenschen sich begegnen“,sagte einst ein Kollege zu mir.
Im Grenzgebiet von Essen-Kray und Gelsenkirchen-Rotthausen liegt die Bonnekamphöhe auf 50 m ü. Meereshöhe und ihr zweiter Name Permakultur* Ruhr gibt Hinweis, worum es hier geht. In meiner Auffassung wirtschaften Menschen darin so, dass möglichst viele Lebewesen gut leben können – und zwar so gut, dass es bleibend und erträglich ist. Und so, dass die Kenntnis über Boden, Fruchtfolge und botanische Nachbarschaftsverhältnisse Pausen zulässt. Dies ist ein erheblicher Unterschied zu konventionellem Landbau, der einer Ausbeutung des Boden gleichkommt.
Wie in Musik ist eine Pause nicht bloße Abwesenheit von Tönen, sondern es passiert gerade in der Pause etwas: nachklingen, resonieren. manche Bodenlebewesen sind angewiesen auf die Abwesenheit von sichtbarem, oberirdischen Wachstum, um ihre Arbeit verrichten zu können. das Nervensystem braucht gesundermaßen Sendepausen – darum schlafen wir, darum ziehen wir uns gelegentlich zurück. Und darum errichten wir grenzen dort, wo es einen schützenswerten Grund gibt.
Die Besucherin wie der Besucher werden auf dem Gelände der Bonnekamp-Stiftung an Holztafeln gelangen, die um Unterlassung bitten. bitten icht eintreten – schütze unsere Privatsphäre.das mag zunächst irritieren. ich fragte mich, weshalb mich das irritiert. Wir Menschen sind eher gewöhnt an Gartenzäune, Barrieren, Gabionen, Alarmanlagen und mauern. Sie signalisieren uns: Hier ist etwas. das ist nicht deins. Bleib weg. Hab‘ Achtung. In einem Garten, der ohne Gartenzaun daherkommt, erkennen wir möglicherweise beim zweiten, dritten Hinsehen und beim nachdenken – in der Pause, die nach der Irritation kommt – weshalb hier etwas privat ist. Pflanzen im Gewächshaus brauchen Ruhe vom Getöse, um zu wachsen. Selten bis nie wird hier manipuliert.
Schmetterling und Laubfrosch benötigen Orte, an denen sie die Erfahrung gemacht haben, dass dort selten ein Mensch hinkommt: Einen sicheren Ort.